Regisseurin Felicitas Korn: Authentisch bis auf die nackte Haut
Ein Interview mit der deutschen Regisseurin Felicitas Korn (38), Gastdozentin an der Filmschauspielschule Berlin.

Foto: Barbara Rohm
Zu Korns preisgekrönten Werken zählen das Musikvideo ''Supergirl'' der Band Reamonn, das im Jahr 2000 die Charts eroberte, sowie das Erotikdrama ''Auftauchen'' (2006), das aufgrund seiner exzessiven, ungeschminkten Sexszenen internationales Aufsehen erregte. Korn lebt im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg.
FSS: Wie bist du an die Filmschauspielschule Berlin gekommen?
Korn: Der Kontakt ist über André Hennicke entstanden. Norbert Ghafouri, der die Schule leitet, hat mich dann als Dozentin angefragt. Ich habe die Studenten beim öffentlichen Vorsprechen gesehen und sie haben mir gefallen. An der Schule herrscht eine angenehme Atmosphäre.
FSS: Was hast du dort bisher unterrichtet?
Korn: Ich habe das fünfte Semester zwei Monate in Camera Acting unterrichtet.
FSS: Ist dir etwas Besonderes an deinen Studenten aufgefallen?
Korn: Ich habe sie als sehr beeindruckende, engagierte Persönlichkeiten erlebt. Sie waren entschlossen, alles zu geben, um in kürzester Zeit ein optimales Ergebnis zu erreichen.
FSS: Was hat dich dazu gebracht, Regisseurin zu werden?
Korn: Ich will provozieren, Grenzen sprengen. Ich möchte Authentizität erreichen. Eine eigene Welt mit eigenen Regeln, das finde ich erzählenswert. Deshalb stehe ich hinter der Kamera.
FSS: Während du ein Drehbuch schreibst, hast du schon bestimmte Schauspieler als Besetzung im Kopf?
Korn: Ja, häufig stelle ich mir während des Schreibens einen Schauspieler für eine Rolle vor. Auf jeden Fall sind die Bilder der Figuren in meinem Kopf von Anfang an konkret.
FSS: Dein Film "Auftauchen" ist ein leidenschaftliches Beziehungsdrama. Wie hat sich die Suche nach der Hauptdarstellerin gestaltet?
Korn: Es war sehr schwierig. Ich habe ein Jahr lang gecastet, unzählige Fotos der Agenturen im Internet angeschaut, Videobänder gesichtet, aber es war nicht die Richtige dabei. Dann habe ich Henriette Heinze gefragt, die ich bereits kannte. Sie passte für die Nadja in "Auftauchen" und hat glücklicher Weise zugesagt. Golo Euler, der die männliche Hauptrolle spielt, wurde mir von meiner Casterin Stefany Pohlmann vorgeschlagen und war ein Volltreffer.
FSS: Mit welchen Fotos sollten sich Schauspieler präsentieren, um Interesse bei Castern zu wecken?
Korn: Gute Fotos sind ein Türöffner. Es geht nicht um gutes Aussehen, sondern die Bilder sollten viele Facetten der Person zeigen, Nuancen wie Liebesfähigkeit oder Zerbrechlichkeit sichtbar machen. Für meinen Kurzfilm "nass" habe ich zum Beispiel Bela B. Felsenheimer aufgrund seines Agenturfotos gecastet. Mir war sein Blick aufgefallen, der Ausdruck seiner Augen. Ich habe ihn gar nicht als Schlagzeuger der Band "Die Ärzte" erkannt. Auch Claire Oelkers, die die Nike in "Auftauchen" spielt, hatte mich mit ihren Fotos beeindruckt.
FSS: Du arbeitest mit ausgebildeten Schauspielern. Wie wichtig ist eine Ausbildung an einer Schauspielschule?
Korn: Sehr wichtig, weil an einer Schauspielschule das Handwerk erlernt wird. Eine Schauspielausbildung ist unerlässlich, vor allem, wenn du für das Kino drehst, wenn du vielschichtige Charaktere darstellen willst.
FSS: Was macht einen guten Schauspieler noch aus?
Korn: Neben dem Handwerk muss er Talent mitbringen und sich gut vorbereiten können.
FSS: Wie sieht eine optimale Vorbereitung auf eine Rolle aus?
Korn: Der Schauspieler sollte vor den Dreharbeiten ausführlich mit dem Regisseur sprechen und dann die Figur eigenständig erarbeiten. Herausfinden, was der Autor will, was die Aussage der Geschichte ist. Der Regisseur hat am Set oft wenig Zeit für die Schauspieler, da er dort mit Dingen wie Motiven, Technik und Kostümen beschäftigt ist.
FSS: Hast du einen Tipp, wie man sich speziell auf Sexszenen vorbereitet?
Korn: Das Wichtigste ist Vertrauen, eine Ebene von Geborgenheit. Die Schauspielpartner sprechen miteinander ab, wo genau die Körper jeweils berührt werden dürfen. Die Choreographie des Körperkontaktes sollte vorher mit Schauspielpartner und Regisseur geklärt werden.
FSS: Wie hast du die Erotikszenen gedreht? War dabei das gesamte Team am Set anwesend?
Korn: Am Set waren Kameramann, Kameraassistent und ich als Regisseurin. Der Tonmann stand hinter einem Vorhang.
FSS: Gehst du gern ins Kino? Was für Filme siehst du am liebsten?
Korn: Ich liebe Kino. Am besten gefallen mir Filme wie "Matrix" oder "Nikita", weil sie Action und Tiefgang vereinen. Ich sehe auch gern Arthaus und romantische Komödien.
FSS: Ein Thema, dass du unbedingt noch verfilmen möchtest?
Korn: Die Suche nach Liebe und Glück, wobei mich die psychologischen Aspekte besonders interessieren.
FSS: Gibt es einen Regisseur, eine Regisseurin, die du bewunderst?
Korn: Auf jeden Fall Ang Lee, Kathryn Bigelow, James Cameron, Luc Besson.
FSS: Bist du ein Familienmensch?
Korn: Ja. Die Beziehung mit meinem Partner und meine Geschwister sind sehr wichtig.
FSS: Verbringst du viel Zeit in sozialen Netzwerken wie zum Beispiel Facebook?
Korn: Nein, das sind für mich Zeiträuber.
FSS: Wenn Du eine Filmfigur wärst, wer wärst Du dann?
Korn: Vielleicht Lola aus "Lola rennt". Oder Yu Shu Lien, die Protagonistin aus dem Martial Arts-Film "Tiger and Dragon" von Ang Lee. Beide Figuren sind leidenschaftlich und versuchen alles, um ihre Ziele zu erreichen.
FSS: Mit welchem Darsteller, mit welcher Darstellerin würdest du gern mal drehen?
Korn: Zum Beispiel mit Julia Roberts, Meryl Streep, Susan Sarandon.
FSS: Woran arbeitest Du aktuell?
Korn: Mein Buch zum Kinofilm "Partynation" ist fertig, ein Episodendrama, das von Bavaria Pictures produziert wird. Es zeigt drei Menschen, die im Drogenmilieu um Liebe und Leben kämpfen. Zwei Hauptrollen kann ich schon verraten: André Hennicke verkörpert einen Alkoholiker, Alexander Fehling einen Kokaindealer. Außerdem arbeite ich unter anderem an der Romantic Comedy "Bis Weihnachten den Ex zurück", in der eine Frau mit allen Mitteln ihren Exfreund zurück haben will. Dabei spielen brasilianisches Waxing und Japanischunterricht eine Rolle.
FSS: Vielen Dank für das Interview. Wir freuen uns auf die nächsten Filme von dir.
Das Interview führte die Journalistin Christina Hausberg für die Filmschauspielschule Berlin, Oktober 2012